ABSEITS
Es ist so still. Die Heide liegt
Im warmen Mittagssommerstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn, der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer halten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen;
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen;
Die Vögel schwirren aus den Kraut,
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halbverfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh’
in Schlag der Dorfuhr, der entfernten.
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten. —
Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit.
DIE STADT
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der nebel druckt die die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.<
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn' Unterlaß
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Theodor Storm (1817-1888)
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Afbeelding: Adolph Menzel (1815-1905): stadje aan zee.