Georg Heym — Die Schläfer

DIE SCHLÄFER

Jacob van Hoddis gewidmet *

Es schattet dunkler noch des Wassers Schoß,
Tief unten brennt ein Licht, ein rotes Mal
Am schwarzen Leib der Nacht, wo bodenlos
Die Tiefe sinkt. Und auf dem dunklen Tal,

Mit grünem Fittich auf der dunklen Flut
Flattert der Schlaf, der Schnabel dunkelrot,
Drin eine Lilie welkt, der Nacht Salut,
Den Kopf von einem Greise gelb und tot.

Er schüttelt seine Federn wie ein Pfau.
Die Träume wandern wie ein lila Hauch
Um seine Schwinge, wie ein blasser Tau.
In ihre Wolke taucht er, in den Rauch.

Die großen Bäume wandern durch die Nacht
Mit langem Schatten, der hinüberläuft
Ins weiße Herz der Schläfer, die bewacht
Der kalte Mond, der seine Gifte träuft

Wie ein erfahrner Arzt tief in ihr Blut.
Sie liegen fremd einander, stumm, im Haß
Der dunklen Träume, in verborgner Wut.
Und ihre Stirn wird von den Giften blaß.

Der Baum von Schatten klammert um ihr Herz
Und senkt die Wurzeln ein. Er steigt empor
Und saugt sie aus. Sie stöhnen auf vor Schmerz.
Er ragt herauf, am Turm der Nacht, am Tor

Der blinden Stille. In die Zweige fliegt
Der Schlaf. Und seine kalte Schwinge streift
Die schwere Nacht die auf den Schläfern liegt
Und ihre Stirn mit mit Qualen weiß bereift.

Er singt. Ein Ton von krankem Violett
Stößt an den Raum. Der Tod geht. Manches Haar
Streicht er zurück. Ein Kreuz, Asche und Fett,
So malt er seine Frucht im welken Jahr.

(Medio december 1910; opgenomen in Der ewige Tag.)
Overgenomen uit: Georg Heym — Werke (Reclam UB 18457).

* Jacob van Hoddis, eig. Hans Davidsohn (1887-1942), vriend van Georg Heym. Meer over deze beide dichters uit het Duitse fin de sièle kunt u vinden in het artikel waarin Georg Heym de hoofdpersoon is: De jonggestorven Duitse dichters Heym en Trakl — 1. Georg Heym, dat we op dit weblog hebben gepubliceerd op woensdag 25 oktober 2006.

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